Fragen zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch

Fragen zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch

Dürfen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch Fragen zum Gesundheitszustand stellen? Und müssen Bewerber:innen auf eine bestehende Schwangerschaft, eine Behinderung, eine HIV-Infektion oder eine andere Erkrankung hinweisen? Wir erklären die rechtlichen Grundlagen, die an dieser Stelle gelten!

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Fragen zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch

Schutzwürdiges Interesse

Durch Fragen zu Erkrankungen oder zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch greift ein Arbeitgeber in die geschützte Privatsphäre des Bewerbers oder der Bewerberin ein.

Aus diesem Grund muss der Arbeitgeber nachweislich ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse daran haben, solche Fragen zu stellen.

Gleichzeitig muss das Interesse des Arbeitgebers an Informationen über den Gesundheitszustand stärker wiegen als das Interesse des Bewerbers oder der Bewerberin am Schutz seines oder ihres Persönlichkeitsrechts.

Grundsätzlich gilt deshalb, dass es nur dann zulässig ist, den Gesundheitszustand zu erfragen, wenn dieser eng mit dem angestrebten Arbeitsverhältnis zusammenhängt.

Die erfragten Informationen müssen also für den Arbeitsplatz, der besetzt werden soll, relevant sein.

Einschränkungen durch das AGG

Schon vor längerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber einen Bewerber oder eine Bewerberin nach einer körperlichen Behinderung fragen darf.

Demnach darf der Arbeitgeber lediglich in Erfahrung bringen, ob eine Erkrankung besteht, die die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit dauerhaft oder zumindest in Phasen, die sich regelmäßig wiederholen, einschränkt.

Zulässig ist, wenn sich der Arbeitgeber nach ansteckenden Krankheiten erkundigt, die Kolleg:innen oder Kund:innen gefährden könnten. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Bewerbers oder der Bewerberin hat.

Außerdem darf der Arbeitgeber fragen, ob er in einem absehbaren Zeitraum nach Antritt der Arbeitsstelle mit einem krankheitsbedingten Ausfall rechnen muss, weil zum Beispiel eine Operation ansteht oder eine Kur geplant ist.

Mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, kurz AGG, wurde das Fragerecht des Arbeitgebers noch einmal eingeschränkt. So dürfen Fragen zum Gesundheitszustand nicht dazu führen, dass jemand wegen einer Behinderung benachteiligt ist.

Für die Praxis bedeutet das, dass Fragen zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch nach wie vor erlaubt sind, wenn sie in einem engen Bezug zum Arbeitsplatz stehen.

Allerdings sind die Anforderungen, ob eine Frage gerechtfertigt ist, dann hoch, wenn die Frage darauf abzielt, eine Behinderung festzustellen. Deshalb ist es sehr wichtig, zwischen einer Krankheit und einer Behinderung, die unter dem Schutz des AGG steht, zu unterscheiden.

Übrigens: Eine Behinderung im Sinne des Gesetzes liegt dann vor, wenn es körperliche oder psychische Beeinträchtigungen gibt, die die Teilhabe am Berufsleben langfristig einschränken.

Fragen zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch (1)

Beispiele für Fragen zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch

Die Vorgaben, die sich aus der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte und dem AGG ableiten, bilden den Maßstab dafür, welche Fragen zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch zulässig sind und welche nicht.

Schauen wir uns zum besseren Verständnis ein paar Beispiele an:

Fragen zu einer Schwangerschaft

Nach einer Schwangerschaft darf sich der Arbeitgeber grundsätzlich nicht erkundigen.

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Denn diese Frage würde eine Bewerberin aufgrund ihres Geschlechts unmittelbar benachteiligen. Gründe, die es rechtfertigen würden, Frauen und Männer unterschiedlich zu behandeln, schließt das AGG weitestgehend aus.

Fragen zu einer Behinderung

Dass der Arbeitgeber nach einer Behinderung fragt, kann im Einzelfall gerechtfertigt sein. Zulässig ist die Frage dann, wenn es zu den wesentlichen und entscheidenden Anforderungen des Berufs gehört, dass gerade keine Behinderung vorliegt.

Das ist aber nur dann gegeben, wenn die Behinderung die Arbeitsleistung dauerhaft erheblich einschränkt oder unmöglich macht.

Fragen zu einer HIV-Infektion

Der Arbeitgeber darf prinzipiell nicht danach fragen, ob der Bewerber oder die Bewerberin mit dem HI-Virus infiziert ist. Allein eine Infektion ist zwar keine Behinderung, die unter den Schutz des AGG fällt.

Aber der Umstand, dass jemand HIV-positiv ist, schränkt ihn nicht in seiner Leistungsfähigkeit ein. Folglich hat die Infektion keine Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit für den Beruf.

Eine andere Sachlage wäre nur dann gegeben, wenn der oder die Infizierte im Beruf einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt wäre. In diesem Fall könnte die Infektion die Eignung für die berufliche Tätigkeit infrage stellen.

Fragen zu einer Suchterkrankung

Die Frage nach einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten ist eingeschränkt zulässig. Das Bundesarbeitsgericht stuft suchtkranke Menschen regelmäßig als Behinderte ein.

Dadurch dürften sie mit Blick auf die Abhängigkeit durch das AGG geschützt sein.

Allerdings darf sich der Arbeitgeber nach einer Suchterkrankung erkundigen, wenn die angestrebte Tätigkeit zwingend voraussetzt, dass der oder die Arbeitnehmer:in nicht alkohol- oder drogenabhängig ist. Das gilt zum Beispiel für alle Berufskraftfahrer:innen.

Keine Pflicht zu wahrheitsgemäßen Antworten

Überschreitet der Arbeitgeber die Grenzen seines Fragerechts, ist der Bewerber oder die Bewerberin nicht dazu verpflichtet, wahrheitsgemäß zu antworten.

Er oder sie dürfen also die Unwahrheit sagen, ohne Angst haben zu müssen, dass der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag anficht und das Arbeitsverhältnis beendet, wenn der Schwindel auffliegt.

Andererseits sollte der Bewerber oder die Bewerberin gut abwägen, ob es wirklich sinnvoll ist, eine gesundheitliche Einschränkung zu verschweigen.

Vor allem bei einer Erkrankung, die keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit oder berufliche Eignung hat, schafft eine ehrliche Antwort schließlich ein Stück weit die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

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Thema: Fragen zum Gesundheitszustand im Vorstellungsgespräch

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Marie Meißner, - Bewerbungscoach und Trainerin, Gerd Bachmann, - Personalentwicklung, Timor Buchert, - Personaler, sowie Ferya & Christian Gülcan, Unternehmer, Gründer diverser Firmen, Personalentscheider und Arbeitgeber/in, Redakteur/in und Betreiber/in dieser Webseite, schreiben hier Wissenswertes, Tipps und Ratgeber zum Thema Bewerbung, Jobsuche, Berufe und Weiterbildung.

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